Leveste. Der dreizehjährige Benedikt aus Leveste leidet unter dem fragilen-X-Syndrom, einem unheilbaren Gendefekt. Diese Form der geistigen Behinderung äußert sich durch massive Wahrnehmungsstörungen, soziale Scheu und autistische Züge. Ein eigens für ihn ausgebildeter Assistenzhund erleichtert seit Juli das Leben des Jungen und der Familie.
Kaum zu glauben, aber jetzt hat Familie Schmidt bereits die ersten 100 Tage mit Assistenzhund Aladin in häuslicher Umgebung verbracht. Die erste Zeit stand dabei im Zeichen des Ankommens, Kennenlernens für Mensch und Tier. „Im wahrsten Sinne des Wortes im Zeichen des gegenseitigen Beschnupperns“, verrät Mama Miriam Schmidt. Gleich bei seiner Ankunft hat Aladin seinen Lieblingsplatz unter der Treppe in seinem neuen Zuhause gefunden. Dieser Platz liegt unweit von Benes Zimmer im Erdgeschosse des Hauses. Anfangs sei es ums Grenzen finden gegangen: Aladin hat Herrchen, Frauchen und die Kinder auf die Probe gestellt, um heraus zu finden, was er darf und was nicht in der neuen Umgebung. Dabei sei auch das eine oder andere Wurstbrot, welches eigentlich für Benedikt bestimmt war, in Aladins Bauch gelandet. „Aber hier hat Bene die Grenzen ganz schnell und deutlich abgesteckt“, erläutert Papa Gerald Schmidt. Wenn es um sein Essen gehe, verstehe der 13-Jährige nämlich keinen Spaß. Eine aufregende Zeit kam für Aladin mit dem Beginn der Herbstferien, die für ihn in seiner Rolle als Assistenzhund mit viel Arbeit verbunden war. In der ersten Woche ging es mit der ganzen Familie auf den therapeutischen Ferienhof Tjarkshof nach Friedrichskoog, wo die Levester Familie seit drei Jahren die Herbstferien verbringt. Hier traf Aladin erstmals auf Tiere, mit denen er sonst keinen Kontakt hat wie Pferde, Esel und Ziegen. Kennengelernt hat Aladin auch fünf Hofhunde, die Teil des Therapieprogramms von Silke Baumgarten sind, der Leiterin des Ferienhofes für Familien mit Kindern mit Behinderungen und ihren Geschwistern.
„Die größte Herausforderung für Aladin waren aber nicht die tierischen Artgenossen, sondern die fünf weiteren Gast-Kinder mit Beeinträchtigungen, die ihn mit Massiv-Knuddeln beglückt haben“, verrät Benes Schwester Hanna. Ganz wie erlernt, blieb er in jeder Situation ruhig und ließ alle zärtlichen und manchmal ruppigen Zuneigungsbekundungen gelassen über sich ergehen lassen. In der zweiten Ferienwoche stand die zweite Zusammenschulung auf dem Programm. Dieses Mal stand das Einschulen von Vater Gerald im Mittelpunkt der Trainingseinheit. Benedikt hat in dieser Zeit ebenfalls immer mehr und mehr Vertrauen zu Trainer Ulrich Zander gefasst, so dass am letzten Tag der Woche sogar die erste Trainingseinheit zwischen Bene und Aladin alleine hat stattfinden können. Highlights dieser Woche waren neben den Erfolgen beim Abruf-Training und der Übung der sogenannten räumlichen Einschränkung, die Aladin mit Bravour gemeistert hat, eine Situation im Rahmen des sogenannten Umwelttrainings. Mitte der Woche ging es mit Aladin, Trainer und der ganzen Familie für ein Stadttraining in die Innenstadt von Hannover. Aladin sollte in der reizreichen Umgebung unter Beweis stellen, dass er Benedikt fest im Visier hat und ihm in für Benedikt stressigen Situationen eine gute Brücke ist, die Ihm hilft Ruhe zu bewahren und Sicherheit gibt. „Für Benedikt ist eine solche Einkaufssituation in einer Großstadt ein Graus. Er kann die vielen Reize aufgrund seiner Wahrnehmungsstörung nicht filtern. Auch ist er aufgrund der autistischen Züge, die seine geistige Behinderung, das Fragile X Syndrom, mit sich bringt nicht in der Lage, große Menschenansammlungen zu ertragen“, erklärt Gerald Schmidt.
Genau für solche Situationen sei Aladin geschult worden. Er soll dann körperlichen Kontakt zu Bene aufnehmen, um Ihm zu zeigen, dass er auf ihn aufpasst und ihn somit beruhigt und vor Panikanfällen oder Wutausbrüchen bewahrt. „Was wir an diesem Tag erleben durften, war einfach großartig“, sagt Mama Miriam. Anstatt zu quengeln, wann es endlich wieder nach Hause zurück gehe, legte sich Bene nach dem dreistündigen Shopping-Ausflug tiefenentspannt mit Aladin mitten in die Einkaufsgalerie. Im Laufe des nächsten Jahres wird Ulrich Zander noch drei- bis viermal kommen, um dann auch mit Bene noch intensiver zusammen zu arbeiten.
„Das ist mein Moment des Jahres 2017“ sagt Gerald, Benes Vater sichtlich gerührt. „Wir haben uns viel von der Ankunft von Aladin erhofft, wussten aber natürlich nicht, ob es auch tatsächlich klappt, und ob die beiden eine gute Bindung aufbauen. Heute kann ich sagen, der Einsatz hat sich definitiv gelohnt. Dass Bene eine solche Situation so gelassen und selbstsicher miterleben kann mit Aladins Hilfe, rührt und beeindruckt uns zutiefst. Und ich glaube das war erst der Anfang einer langen Freundschaft.“
An dieser Stelle möchte sich die Familie nochmals bei allen Unterstützern für ihren Einsatz und ihre Spenden bedanken. Die 18-monatige Ausbildung von Aladin in einem speziellen Hundezentrum in Norddeutschland kostete rund 25 000 Euro. Dank großzügiger Spender und vieler kreativer Aktionen ist die große Summe innerhalb von zehn Monaten zusammengekommen.

Quelle: Heidi Rabenhorst
Der Beitrag Die ersten 100 Tage mit Aladin. Bene und sein Hund sind schon ein gutes Team erschien zuerst auf Wochenblätter.